Die Deutsche Bahn in der Charme-Offensive

Launige Worte zum Einstieg: Ich bin ja auch ein junger Mann mit Migrationshintergrund. Jedenfalls in der Schweiz. „Ausländer“ darf man ja nicht mehr sagen. Jedenfalls in Deutschland. Zumindest in Hessen. Und dahin reise ich gerade – nach Hessen, genauer gesagt nach Frankfurt am Main. Und daher kommt auch meine

Kundenerfahrung der Woche: Die charmanteste Art von Zürich nach Frankfurt zu kommen ist in der ersten Klasse des ICEs der Deutschen Bahn. Die stecken nämlich grad voll in der Charmeoffensive und wollen die 1. Klasse aufwerten. Super. „Verwöhnprogramm“ heisst die Devise. Doch zunächst ist das mehr „Programm“ als „Verwöhn“. Ich habe ja mehrfach darauf hingewiesen, dass ein überzeugendes CRM nur funktioniert, wenn die guten Vorsätze auch vom Personal umgesetzt werden. Und genau davor ist der „Zugchef“ hier an Bord des ICE 73 von Zürich nach FFM. Abgesehen davon, dass sich schon allein in der Jobbezeichnung „Zugchef“ die grösstmögliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit manifestiert, sind die Damen und Herren neuerdings neben ihrer Kernkompetenz (Fahrscheinkontrolle!) dazu angestellt dem Gast das Essen im Bordrestaurant („Gönnen Sie sich eine Erfrischung!“) näher zu bringen. Und zwar auf Deutsch und Englisch. Und genau hier sieht man die Bedeutung von „Unbewusster Kompetenz“. Der Zugchef kann es nämlich nicht (englisch!) und hat sich daher alles in Lautschrift notiert und liest nun mit deutlich wahrnehmbaren sächsischen Einschlag vom Blatt: „Nau wi sörf Lansch in our Restaurant. Se Menu today is ... is ... verdamm noch mo, wo is denn der Zeddel .... na .... je nu .... jedenfalls gibt’s Lammrüggn!“ Sic transit gloria Mundi.

Dann kommt „Verwöhn“. Vor mir steht der vom Zugchef angekündigte „Lenk!“, der Mitarbeiter, der in der ersten Klasse am Platz bedient. Und schon ist klar, warum ihm sein Chef kein "Herr" oder sonstigen Ehrentitel in der sächsischen Ansprache genehmigt hat. „Eine kleine Aufmerksamkeit“ sagt er und hält mir ein Tablett mit hohem Rand hin. "Oh toll, Erfrischungstücher" sage ich und nehme eins. Lenk wird blass und verzieht sich. Nach 5 Minuten ist er wieder da. "Eine kleine Aufmerksamkeit?" "Nein, Danke, ich habe schon ein tolles Erfrischungstuch." Aber diesmal hat er Pralinen dabei (siehe Foto zur Illustration der Grössenverhältnisse!), die waren ihm letztes Mal wohl ausgegangen und er hatte es nicht gemerkt. Umgehend und gut unterhalten treffen wir in Frankfurt ein.

Und dann der Knaller. Die Durchsage: "Wir bitten unsere Passagiere in der zweiten Klasse, ausschliesslich in den Wagen der zweiten Klasse auszusteigen, damit unsere Passagiere in der ersten Klase nicht gestört werden". Vor mir zuckt ein Mann zusammen. Sozialdemokrat, war mal Minister. Da isser wieder: Klassenkampf! Und alles im Namen des Kunden. Marx hätte seine wahre Freude. Engels auch.

In Frankfurt erzählt mir abends die Partnermanagerin der "Steigenberger"-Hotelkette begeistert von der "Aufwertung der ersten Klasse" durch ihren Partner "Deutsche Bahn".

CRM Studie der Woche: Diesmal zum Thema Kundensegmentierung: Der Apple Kunde ist weniger bescheiden und selbstbewusster als Windows-User. Das geht aus einer Befragung von 7500 Personen durch die Firma Mindset Media hervor. Apple-Käufer sind ausserdem empfänglicher für Gefühle. Sie empfinden Glück und Unglück intensiver als andere Menschen haben die Marktforscher herausgefunden. Kurz: Der Apple-Kunde ist der bessere Mensch. Irgendwie haben wir es geahnt, odr?

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Ich will Dir ja nicht zu nahe treten, Nils, aber "junger Mann", das war war damals, als Herr Böhm sich darauf gefreut hat, Dich vielleicht beim Abi-Umzug in die Finger zu bekommen. ;-)
Prof. Dr. Nils Hafner hat gesagt…
Und, Markus? Hat er mich gekriegt? nein, mal ehrlich, man ist immer so alt wie man sich fühlt. Wie alt fühlt man sich als Datenschützer?
Anonym hat gesagt…
Lieber Nils, Tränen gelacht über Deine Kundenerfahrung der Woche - ich weiss genau was Du meinst. Das English (oder was sie dafür halten) haben sie sich für die WM 2006 angewöhnt und damit haben sie mir so manche Fahrt zwischen FR und FFM versüsst.
Auch die Richtigkeit der Studie der Woche kann ich bestätigen, ich bin sozusagen beides: Microsoft = PC Apple = Ipod. PC läuft = OK, Ipod funktioniert nicht = grosse Gefühle, allerdings keine guten... Liebe Grüsse von Konne

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