CRM Trend 2011: Multichannel ist tot – es lebe Touchpoint Management!
Launige Worte zum Einstieg: Nicht dass ich dazu tendiere, mich aufzuregen. Nein! Aber das Thema CRM tendiert zunehmend dazu etwas langatmig zu werden. Und dem muss man entgegensteuern. Das gilt vor allem für das Multichannel-Management. Bis ein Grossunternehmen es heute mal schafft, neue Kundenkanäle zu eröffnen und werthaltig zu bespielen, dauert es oft Wochen, Monate und Jahre. Kanäle werden mit grossem Aufwand eröffnet und (bei Misserfolg) wieder geschlossen. Grundlage sind vor allem strategische Entscheidungen, um den Zugang eines Unternehmens zu seiner Kundschaft zu verbreitern. Dadurch sind viele Unternehmen extrem langsam an der Kundenschnittstelle geworden. Was kann man tun? Mein Co-Autor Phil Winters, Strategic Advisor der Pepper&Rogers Group und ich haben uns dazu ein paar Gedanken gemacht.
CRM Überlegungen der Woche: Die Customer IMPACT Agenda
CRM Überlegungen der Woche: Die Customer IMPACT Agenda
Kunden wollen
persönlichen Kontakt mit ihren Anbietern und sie verlangen Kontinuität in der
Beziehung, egal auf welche Weise kommuniziert wird. Eine kürzlich veröffentlichte
Untersuchung von Genesys konstatierte, dass „die Fähigkeit über viele Kanäle
miteinander zu kommunizieren entscheidend für die Loyalität ist“. Verbraucher
wollten zum Beispiel Self Service im Internet ausprobieren, danach unter
Umständen im Call-Center anrufen, um sich von einem Agenten helfen zu lassen
oder vielleicht eine E-Mail schreiben – ohne die Geschichte ihres Anliegens
immer wieder erzählen zu müssen. Dass die Anbieter dabei die verschiedenen Touchpoints
überwachen, um eine vollständige Informationsgrundlage zu haben, störte dabei
niemanden. Dass ein Unternehmen sogar versuchte, die Hilfesuchenden von sich
aus zu erreichen, um Hilfe anzubieten und das Kunden-Erlebnis zu verbessern,
stieß ebenfalls auf Gegenliebe. Tatsächlich betrachteten 86 % der Verbraucher „proaktives
Engagement im Internet oder im Self-Service-Bereich entweder als grossen
Vorteil oder als sehr willkommen“ (The Cost of Poor Customer Service).
In vielen Branchen wurde die oben skizzierte
Vorgehensweise für „kontrollierbare“ Kontaktpunkte wie Kunden-Servicecenter,
Websites, schriftliche Kommunikation oder Internet-Self-Service-Plattformen
schon implementiert. Für einige Touchpoints aber ist das schwierig. Dies gilt
besonders für Gespräche, die Kunden untereinander in den sozialen Netzwerken führen.
Das daraus resultierende positive oder negative Image kann vom Unternehmen
nicht gesteuert werden. Es zu versuchen, wäre ein Trugschluss, dem viele Firmen
aufgesessen sind, als sie sich die Stärken der sozialen Netzwerke nutzbar
machen wollten. In Socialnomics zieht Erik Qualman die folgende
passende Analogie:
„Die Marketing-Fachleute müssen
heute und in Zukunft ihre Art zu denken umstellen. Es geht nicht länger darum,
die Menge an verfügbaren Daten auszubauen. Stattdessen kann man mit Fans und
Verbrauchern mit Hilfe von fremden Plattformen (wie auf Facebook, YouTube,
Twitter, etc.) direkt in Kontakt treten. Noch haben viele Unternehmen dieses
Konzept nicht begriffen. Sie programmieren aufwändige YouTube- oder
Flickr-Seiten, platzieren Pop-up-Kommentare und Links, die die Nutzer aus dem
sozialen Netzwerk führen, meist auf die Homepage des Unternehmens oder
versuchen, die Daten der Kunden als „Leads“ zu erfassen. Diese Unternehmen
glauben immer noch, dass sie die Nutzer in ihre eigene Datenwelt entführen
müssen, um sie als Kunden zu gewinnen. Dabei tun sie aber weder ihren treuen
Fans einen Gefallen noch sich selbst. Es ist genauso, als würde man ein
hübsches Mädchen in einer Bar treffen, sie auf einen Drink einladen, und sie –
wenn sie „ja“ sagt, schnappen, ins Auto zerren und zu sich nach Hause fahren,
weil man ja noch Bier im Kühlschrank hat.“
Natürlich ist es immer noch wichtig, die Daten von potentiellen
Kunden zu sammeln, gleichzeitig ist es aber auch wichtig, alternative
Vorgehensweisen für jene Fälle zu haben, in denen es nicht praktisch,
angemessen oder möglich ist, den Kunden „zu vereinnahmen“.
An jedem Kontaktpunkt, besonders in den
unkontrollierten/unkontrollierbaren sozialen Netzwerken, muss festgelegt werden,
welche Interaktion für den Kunden den meisten Sinn ergibt, um dann zu
entscheiden, wie man mit diesen Touchpoints angemessen in den
Entscheidungsprozess des Kunden
eingreifen kann. Es gibt fünf Arten mit einem Touchpoint umzugehen, die
je nach Einfluss des Unternehmens auf den Kontaktpunkt angewandt werden. Das
Akronym IMPACT hilft, sich die
unterschiedlichen Stufen des Engagements zu merken:
Ignore, Monitor, Participate, Activate,
ConTrol.
(Ignorieren, Beobachten, Teilnehmen,
Aktivieren, Kontrollieren)
Die
meisten dieser Stufen können frei kombiniert werden, um das Maximum aus der
Kunden-Interaktion herauszuholen.
Im ersten Schritt
muss das Unternehmen erkennen, dass ein Kontaktpunkt existiert und dass er relevant
sein könnte. In einem nächsten Schritt gilt es bewusst zu
entscheiden, ob man aktiv mit dem Touchpoint umgehen
möchte, und wenn ja – wie. Dazu ergeben sich die
folgenden Möglichkeiten:
Ignore/Ignorieren: Das ist eine klare „go/no-go“-Entscheidung, die nicht mit anderen
Stufen des Engagements kombiniert werden kann. Ein Touchpoint, der derzeit
nicht relevant ist und der innerhalb des Zielpublikums kaum Interesse weckt,
fordert einen hohen Preis: wertvolle Ressourcen sollten nicht verschwendet
werden. In diesem Fall empfiehlt es sich, definitiv zu entscheiden den Kontaktpunkt für
den Augenblick zu ignorieren. Sollten sich die Rahmenbedingungen später
ändern, kann man die Entscheidung zurücknehmen und anders mit dem Touchpoint
umgehen.
Monitor/Überwachen: Jeder Kontaktpunkt, der im Entscheidungsprozess des Kunden eine
Rolle spielt, sollte wenigstens beobachtet
werden. Für die traditionellen Kontaktpunkte sind die Methoden dafür gut
bekannt: Der ganze Bereich Customer
Intelligence hat sich schon immer damit befasst, Daten aus diesen Kontakten zu
erfassen und in fundierte Informationen über den Kunden umzuformen. Für die „modernen“
Touchpoints wie Computer Terminals im öffentlichen Raum, Neue
Telefon-Plattformen usw. gilt das Gleiche. Die Daten sind da und können
erfasst und ausgewertet werden – wenn sie dazu beitragen, den Kunden besser zu
verstehen.
Monitoring Tools für die sozialen Netzwerke waren fast gleichzeitig mit den Netzwerken auf
dem Markt. Manche sind nur für eine einzige Plattform nutzbar: Twitter Monitor,
Blog-Suchmaschinen und Nachrichten-Konsolidierungs-Programme sind nur einige
Beispiele. Von noch größerer Bedeutung
sind jene neuen Tools und Services, die auf alle sozialen Netzwerke zugreifen, und die damit den Unternehmen
erlauben mit Hilfe eines einzigen Interfaces Suchkriterien über die relevanten
Touchpoints zusammenzustellen.
Als
nächstes muss entschieden werden, ob das Monitoring als isolierte Aktivität
betrachtet wird – und zu täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Berichten
führt – oder ob es in die Arbeit der Customer Intelligence Abteilung
eingebettet wird. Damit gäbe es einen strukturierten Umgang mit der
Daten-Erfassung und dem Daten-Gebrauch.
Die
Informationen vom beobachteten Kontaktpunkt müssen im Minimum an jene
Mitarbeiter weitergeleitet werden, die im Unternehmen für diesen Touchpoint
zuständig sind und die auf die Informationen reagieren dürfen. Will man mehr erreichen,
besteht die Möglichkeit die Erkenntnisse über das
Customer Data Warehouse oder die Customer Intelligence Practice zu überführen,
um das Prognosemodell für jeden Kunden besser und
feiner zu justieren oder ggf. das Marktsegment genauer zu beschreiben.
Participate/Teilnehmen: die nächste Stufe des Engagements bedeutet, im Netzwerk
mitzumachen. Des heisst, ein Mitarbeiter erklärt sich dafür verantwortlich,
zukünftig für das Unternehmen über den ausgesuchten Touchpoint zu
kommunizieren. Die aktive Teilnahme an Sozialen Netzwerken ist meist das Mittel
der Wahl, weil dort die Interaktion nicht kontrolliert werden kann und
üblicherweise ein großes Publikum an einem Dialog zwischen zwei
Parteien beteiligt ist. Zur aktiven Teilnahme gehört
es, offen den Netzwerken beizutreten und sich in Dialoge einzubringen, aber
auch, auf Kommentare in Blogs zu antworten.
Wenn man teilnimmt, muss man zwei fundamentale Regeln beherzigen:
- Jede Teilnahme muss echt und authentisch sein. Es sollte weder Ghost Writer noch computergenerierte Antworten geben, die das so machen können. Viele Unternehmen haben viel Zeit und Geld in ihr Markenversprechen investiert. Auch an diesem Punkt muss dessen Authentizität gewahrt bleiben.
- Teilnahme heisst aber nicht Kontrolle! Der Verlauf der Interaktionen ist nicht immer vorhersehbar. Auch wenn einem eine Entwicklung nicht gefällt, ist sie kaum mehr aufzuhalten.
Activate/Aktivieren: Mitunter kann es sinnvoll sein, einen Schritt weiter zu gehen. Man
kann eine neue Plattform aktivieren, und damit dem Zielpublikum die Gelegenheit
geben über diesen Touchpoint zu kommunizieren und sich auszutauschen. Der deutsche
Fertiggerichte-Hersteller Frosta betreibt einen Blog, der aktiv dazu auffordert
Kommentare über Frosta-Mahlzeiten abzugeben, seien sie positiv oder negativ.
Ein gelegentlicher Verriss wird durch das erwünschte Verbundenheitsgefühl der
Fan-Gemeinde locker aufgewogen. Ausserdem hilft eine Kritik natürlich auch, das
Produkt zu verbessern.
Man kann sogar Kontaktpunkte aktivieren, die weder online sind, noch
zu sozialen Netzwerken gehören. Der
italienischen Bank Banca Mediolanum ist bekannt, dass ein für die
Entscheidungsfindung der Kunden wichtiger Touchpoint das Gespräch mit Freunden
in zwangloser Umgebung ist – also mietet die Bank von Zeit zu Zeit die beste
Café-Bar der Stadt und lädt ihre Kunden ein mit einem Freund vorbeizuschauen.
Wichtig ist, dass das Unternehmen einen aktivierten Touchpoint nicht besitzt,
sondern nur moderiert.
Control/Steuern: Es gibt Kontaktpunkte,
die kontrollier- und steuerbar sind:
Ein Callcenter, ein E-Mail-Kanal, eine Website, eine Filiale oder ein Verkäufer
sind alles Touchpoints, die ein Unternehmen besitzt und die es deshalb
kontrollieren kann (und sollte). Tut man es nicht, geht man
ein hohes Risiko ein: Kürzlich wurde ein großer europäischer Telekommunikations-Anbieter
in den Medien heftig angegriffen, weil er innerhalb von zwanzig Minuten auf
einen Twitter-Kommentar geantwortet hat – jedoch auf die entsprechende E-Mail
nicht reagierte. Eine schlechte Presse für einen guten Kunden-Service (die
schnelle Antwort auf den Tweet) zu bekommen, ist Pech, aber nicht auf eine
ordnungsgemässe Kundenanfrage an die übliche Adresse zu antworten, das ist
geradezu unverzeihlich. Touchpoints,
die wir aktiv steuern können, sind deshalb von größter Bedeutung für den
Entscheidungsprozess, weil die Kunden wissen, dass diese Kontaktpunkte von uns betrieben werden. Dementsprechend
erwarten sie dort eine professionelle Kundenbetreuung. Dies gilt beispielsweise auch für den Einsatz von Apps.
Fazit: Die fünf Stufen des Engagements sind alle valide
und relevant. Jede beliebige Art von
Touchpoint kann mehr als eine Art des Engagements erfordern, je nachdem wie
wichtig sie für den Kunden ist. Außerdem kann es sinnvoll sein, einen
Touchpoint in der Orientierungsphase des Kunden anders zu behandeln als in der
Kauf-Phase. Die Entscheidung welche Strategie für welchen Kontaktpunkt die
richtige ist, muss im Zusammenhang mit der Art des Kundenerlebnisses und den
technischen Möglichkeiten des Unternehmens getroffen werden.
(c) by Phil Winters/Nils Hafner 2010
Kommentare
Das Szenario (Web, In Store, Catalogue, Call Center, Social) welches in dieser Präsentation dargestellt wird ist genial, mal gespannt ob Unternehmen das umsetzen werden
http://www.oracle.com/us/corporate/acquisitions/atg/atg-webcast-presentation-254179.pdf