CRM Trends 2018: CX-Fähigkeiten - was muss man als Unternehmen eigentlich können?!

Launige Worte zum Einstieg: Ich habe mal in der letzten Ausgabe der acquisa eine mehrseitige "Generalabrechung" mit dem Thema Customer Experience Management verfasst. Auf dieser Basis sind wir momentan mit einem tollen Autoren Team dabei, ein internationales Buch zu diesem Thema zu verfassen. Grundlage sind dazu die Überlegungen zu den CRM Jahrestrends. Man beobachtet ja, dass sich hier Theorie, bzw. Forschungsinteresse und praktische Anwendungen zunehmend auseinander entwickeln. Diese Aspekte wieder zusammen zu bringen stellt einen Hauptaspekt meiner Arbeit dar. Deswegen mal die ganz praktische Frage:

Was muss ein Unternehmen können, um CX fähig zu sein?

Betrachtet man die Ausführungen der vorangegangenen Abschnitte stellt man zunehmen fest, dass die Methodenkompetenz bei der Gestaltung der Customer Journey eine immer grössere Rolle spielt, um profitabel arbeiten zu können. Wir prognostizieren daher erstens, dass sich in diesem Jahr 2018 so langsam die Erkenntnis in der Praxis durchsetzt, dass es beim CX Management eigentlich nicht nur um die Wirkungskette der Service Profit Chain geht, die das komplette Universum an Customer Personas, Journeys und Touchpoints bespielt und fordert, das gesamte Unternehmen auf die Bedürfnisse des Kunden auszurichten, sondern vor allem darum, zunächst die größten Hebel für eine punktuelle Verbesserung des Kundenerlebnisses zu identifizieren. Die Forderung Maklans „Think Atomistic – not Holistic“ wird sich 2018 durchsetzen, um CX Initiativen endlich profitabel zu machen. Methoden wie die Personaentwicklung, die Sequentielle Ereignistechnik, Blueprinting, Laddering, das Customer Journey Mapping, Design Thinking, NPS, Customer Satisfaction und Effort Scoring, aber auch das Repertoire des Kostenmanagements müssen heute zu allgemein im Unternehmen verankerten Methoden gehören. Das Management muss dabei sicher stellen, dass der Methodenbaukasten definiert und allgemein bekannt ist. Über dies hinaus empfiehlt es sich, Personas und die dafür evaluierten Schritte und der Touchpoints aller Customer Journeys von vorneherein in speziell dafür entwickelten Datenbanken abzulegen, um Doppelspurigkeiten und extrem aufwendige „Updating-Übungen“ von vorneherein zu vermeiden. Man schafft nur dann eine gemeinsame Sprache im Customer Experience Management, wenn die Elemente, mit denen gearbeitet wird, einen eindeutigen Namen tragen und dieser Name auch im Unternehmen bei allen involvierten Mitarbeitern bekannt ist. Es geht also, zusammenfassend um die Definition der Elemente und das jeweilig optimierte Zusammensetzen dieser Elemente. Grundlegende Designfähigkeiten sind also gefragt und müssen durch eine Test-and-Learn Umgebung auch angewandt werden.

Gerade im Bezug auf Test-and-Learn stellt sich aber mehr und mehr heraus dass der Kontext des Kundenerlebnisses eine entscheidende Rolle für die Zahlungsbereitschaft und damit die profitable Verwendung von Daten spielt. Nehmen wir als Beispiel den Fall eines Händlers, der Kaffee in Kapseln in hoher Qualität im Rahmen eines Club-Modells an seine Kunden zu hohen Margen verkauft. Dieses Unternehmen kennt durch sein Business Modell den Kunden mit Namen und Adresse. Gleichzeitig hat es systematisch kontextbezogenen Daten gesammelt: beispielsweise, wie viele Kapseln welcher Kaffeesorte der Kunde gekauft hat, die Marke und den Typ und damit die durchschnittliche Lebensdauer der verwendeten Maschine und  den Wasserhärtegrad am Wohnort des Kunden. Auch weiß das Unternehmen, wie häufig der Kunde seine Maschine entkalkt hat. All diese Faktoren ergeben ein Schätzmodell für den Ausfall der Maschine. Wichtig ist dabei in dem Zusammenhang, dass Data Scientists im Unternehmen verfügbar sind und systematisch in das CX Management einbezogen werden.

Organisatorisch muß darüber hinaus sicher gestellt sein, dass Kundenerlebnisse wirklich durchgehend sind. Der Kunde denkt nicht in Abteilungen oder Kanälen. Sämtliche dieser unternehmensinternen Zuständigkeiten können vom Kunden nicht nachvollzogen werden und sind daher auch im Kundenkontakt nicht zu thematisieren. Wichtig ist, dass Mitarbeiter im Front-Office Zugang hat zu einer 360 Grad Kundenhistorie und den damit verbunden Erkenntnissen aus der Modellierung des Kundenwerts sowie Überlegungen zu Next Best Product bzw. Next Best Action. Auch und gerade ist es für den Mitarbeiter wichtig, den Kontext zu verstehen, weswegen der Kunde anruft oder anrufen könnte.

Ist dieser Kontext bekannt bei Mitarbeitern und Führungskräften kommuniziert, kann daran gearbeitet werden, das Ergebnis eines möglichst positiven Kundenerlebnisses möglichst effizient zu erreichen. Grundlage dafür ist, zu verstehen, welche Faktoren dazu beitragen, exzellente Dialoge zu führen und auf der anderen Seite Fehler zu vermeiden. Einer solcher Faktor ist beispielsweise die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Dies scheint in der Praxis in den letzten zwei Jahren immer besser verstanden worden zu sein. Durch eine Mehrjahresanalyse der Daten des Service-Excellence-Cockpits über 180 Contact Center können wir zum Beispiel beweisen, dass heute ein Mitarbeiter im Kundenservice beispielsweise 27 Tage Basisausbildung erhält. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies eine Steigerung von etwa 30%. Das trägt natürlich in der gleichen Zeitspanne zu einer Reduktion der Mitarbeiterfluktuation von ca. 7 Prozentpunkten bei. Und besser ausgebildete Mitarbeiter, die dazu noch länger im gleichen Unternehmen verbleiben, sind natürlich besser in der Lage, den Kunden zu begeistern. Man sieht, eine integrierte professionelle Führung  des Kundenservice mit den richtigen Kennzahlen sowie einem hohen Grad an Mitarbeiterkompetenz und Motivation zahlt sich aus.

Über die reine Vermeidung von Fehlern muss in Zeiten der Digitalisierung jedoch mehr und mehr auch über eine Automatisierung im Kundenmanagement nachgedacht werden. Gleichzeitig bleibt ein Hauptkritikpunkt am Konzept des Customer Experience Managements valide: Das Konzept fokussiert in den Kernkonzepten vor allem auf die Perspektive des Kunden, dessen Interessen, dessen Lernprozess und dessen Gefühle. Ein besonderer Erfolg kommt im Kundenmanagement jedoch immer dann zustande, wenn es gelingt Kundeninteressen und Unternehmensinteressen in Einklang zu bringen. Ein ausgesprochen gutes Beispiel dafür ist die maßgeblich bei Amazon von Bill Price entwickelte Value-Irritant Matrix. Sie gibt hier einen Eindruck, wie ein Unternehmen seinen Kundenservice gezielt zwischen „Automatisierung“, „Vereinfachung“ und „wertvoller Kundendialog“ gestalten kann.

Danach wird einerseits aus der Sicht der Unternehmung überlegt, ob diese an einem Kontakt mit dem Kunden unter Service-Gesichtspunkten interessiert ist, weil sie etwas über ihre Produkte und Dienstleistungen lernen kann, sich dadurch Ideen für Einsparungen ergeben sowie es sich durch den Kontakt eine Chance ergibt, weitere Produkte oder Leistungen zu verkaufen oder eben nicht. Andererseits wird systematisch die Perspektive des Kunden auf den Servicekontakt eingenommen. Ist der Kunde wirklich an einem persönlichen Kontakt interessiert, weil er Antworten auf seine Fragen oder einen Rat bekommt und im Idealfall Geld sparen kann oder sieht er gar keine Notwendigkeit mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten und empfindet den Kontakt als ärgerlich.

Die Grundidee ist es, dass ein Unternehmen analysieren sollte, wo Kunde und Unternehmen gleichzeitig Interesse am persönlichen Kontakt haben. Nur hier kommen wertstiftende Gespräche zustande. Besteht eine Interessendivergenz, hat also der Kunde ein hohes Interesse, eine Problemlösung zu erhalten, das Unternehmen schätzt diesen Kontakt jedoch nur als zusätzliche Kosten ein, sollte der Kontakt automatisiert werden. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass das Unternehmen darauf angewiesen ist, dass der Kunde einen Kontakt mit dem Unternehmen hat und bestimmte Informationen preisgibt, wie beispielsweise bei einem Check-In oder einer e-Mail Bestätigung. Derartige Kontakte empfinden Kunden häufig als lästig. Hier gilt es die Kontakte, wie bspw. einen Check-In oder Teilkontakte, wie eine notwendige Identifikation des Kunden möglichst zu vereinfachen.

Jedoch kann und sollte nicht jede Tätigkeit im Kundenmanagement vereinfacht oder automatisiert werden. Zusätzlich stehen häufig die benötigten Spezialisten für die optimale Kundenerlebnisgestaltung oder den persönlichen Dialog nicht immer zur Verfügung. Durch die oben beschriebenen Trends verändert sich zukünftig also der Anspruch und der Fokus der Netzwerkagenda auch über die beschriebene Steuerung von partnerkontrollierten Touchpoints hinaus. Häufig bedarf es eines Business Process Outsourcings im Kundenmanagement. Da persönliche Dialoge aber durch den Einsatz von Bots seltener aber anspruchsvoller werden, müssen die Mitarbeiter im Kundendialog in Marketing, Vertrieb und Service auf die Kundenhistorie und auf alle internen Schnittstellen im Unternehmen zugreifen können, um Kundenanfragen schnell und kompetent zu beantworten. Eine Integration von Outsourcing Partnern beispielsweise im Contact Center Bereich wird sich so nicht mehr profitabel und/oder qualitativ zufriedenstellend bewerkstelligen lassen. Insofern prognostizieren wir hier in den nächsten Jahren verstärktes Insourcing im Kundendialog. Gleichzeitig sieht man (auch an den Stellenanzeigen im Internet), dass zunehmend Fachleute im Bereich der „Customer Insights and Prediction“ gesucht werden. Diese Fähigkeiten sind rar, so dass gerade Mittelständler Schwierigkeiten haben werden, kompetente Analyseabteilungen aufzubauen. Hier sehen wir verstärkt spezialisierte Agenturen entstehen, die diese Tätigkeiten im Outsourcing übernehmen. Die Herausforderung dabei wird darin bestehen, Insights schnell vom Outsourcer zum beauftragenden Unternehmen zu bringen.

Werden alle diese Aspekte beachtet, wird es dem Unternehmen auch gelingen, in der Gestaltung sowohl der übergreifenden Kundenerfahrung als auch einzelner positiver Kundenerlebnisse den Fokus zu bewahren. Dies führt zu einer langfristig profitablen Kundenbeziehung. Und damit zu Erfolg.

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