CEX Trendradar 2020: Warum eine kundenorientierte Kultur das Trendthema der nächsten zwei Jahre sein wird und sich trotzdem eigentlich nichts verändert

Launige Worte zum Einstieg: Endlich mal ein Thema, bei dem sich alle einig sind. Kunden- und damit auch CX-Orientierung ist eine Frage der Kultur. Nur ist der Kulturbegriff so schwammig formuliert, dass er auch das perfekte Feigenblatt ist, um viel drüber zu reden und nix zu tun. Protypisch zeigt das eine Umfrage des geschätzten Kollegen Cyrill Luchsinger von der Schweizerischen Post auf LinkedIn. Er frage nach, welches wohl „die grösste Herausforderung im Bereich Customer Experience sei, mit der Sie aktuell konfrontiert sind“. Das Ergebnis heute (am 29. Juni 2020) stellt sich wie folgt dar:


53% der 119 Befragten sagten, dass die Unternehmenskultur, die grösste Herausforderung ist. Dem kann ich mich zwar anschliesssen, doch befinden sich die meisten Unternehmen hier auf der Stufe der "bewussten Inkompetenz" (nach A. Bandura 1963, ich habe vor 12 Jahren das mal hier erklärt.), sie wissen zwar, dass sie ein Problem haben, aber nicht wie sie das lösen. Ich hab daher einmal mit ein paar Kollegen zusammengetragen, was eigentlich Elemente einer CX Kultur sind, und warum die auch in den nächsten Jahren weit akzeptiert aber nicht operativ umgesetzt wird.

Was ist eigentlich "Kultur"?

Das weithin anerkannte Oxford Dictionary definiert Kultur als: „Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung“. So weit, so nice. Es geht also um Höherentwicklung. Und damit passt es wunderbar in unseren Trendradar. Doch war sind denn Elemente einer solchen Höherentwicklung? Naja, als erstes muss man mal wissen WOHIN man sich denn entwickeln will. Das sollte (weil höher) dann ja ein attraktives Zielbild sein, das auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein anstrebenswerter Zustand ist. Eine Vision sozusagen.

Und CX Kultur?

Nun hat ein deutscher Bundeskanzler mal gesagt, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Demensprechend sollte so eine Vision auch greifbar sein sowie erwartungs- und erlebnisbildend sein. Es ist zwar ein altes Beispiel, aber mein CX-Mitaficionado Gregorio Uglioni hatte das neulich in unserem kommenden Podcast erwähnt: Die Vision von Ritz-Carlton „We are Ladies and Gentleman serving Ladies and Gentleman". Und da ist ja nun alles drin. Vom Selbst und Fremdbild (der Kunde ist NICHT König), über eine Erwartungshaltung an die Mitarbeiter aber auch an das Verhalten der Kunden. So eine Vision kann man wunderbar mit Spielregeln der angestrebten Kundenbeziehung aber auch mit ganz konkreten gestalteten Kundenerlebnissen ergänzen, bei denen sich die Kunden ganz bewusst als „Ladies und Gentleman“ empfinden. Wenn das kein angenehmes Erlebnis ist. Ritz-Carlton hat das in den sogenannten Gold-Standards, die noch auf den Walliser César Ritz zurückgehen, zusammengefasst.

Gesamthaft ist kulturell wichtig, dass alle Mitarbeiter den Kunden als denjenigen wahrnehmen, der in der letzten Konsequenz die Löhne zahlt. Ohne Kunden kein Geld, und da es nachgewiesenermassen viel einfacher ist, bestehenden Kunden etwas zu verkaufen als Neukunden, sollte man sich hier auf das Kundenerlebnis konzentrieren, das den Kunden zum Wiederkommen und Weiterempfehlen bringt. Für Sie als regelmässige Leser meines Blogs sicher ein Nobrainer. Aber im Unternehmensalltag erstaunt, wie häufig man diesen Sachverhalt mantramässig wiederholen und die Köpfe und Herzen der Mitarbeiter bringen muss. Und damit sollte man auch überprüfen, ob man eigentlich die richtigen Mitarbeiter an Bord hat, die über das richtige Einstellungsset verfügen. Damit wiederum verbindet sich die Frage, welche Mitarbeiter man eigentlich einstellt. Wir erinnern uns Mitarbeiter sind an 60% aller begeisternden und 70% aller frustrierenden Kundenerlebnisse beteiligt.

Und hier stellt sich die Frage, was diese Mitarbeitenden in Bezug auf Customer Experience Management eigentlich wissen und können. Im Bereich des CX-Design als von Customer Journey Mapping und der Gestaltung einzelner Kundenerlebnisse an einzelnen Touchpoints haben Unternehmen in den letzten Jahren enorm dazu gelernt. Doch das sind taktische Fähigkeiten, die von CX Experten als Abteilung ausgeführt werden. Im Verhältnis zu allen Mitarbeitenden des Unternehmens ist die Zahl der Angestellten in diesen Abteilungen erstens verschwindend gering und zweitens oftmals hierarchisch nicht wirklich gut verankert, um echte Kundenorientierung durchzusetzen.

In der Abstimmung des Kollegen Luchsinger habe ich daher übrigens für bzw. gegen „Fehlende Kompetenzen“ gevotet. Denn ohne Kompetenzen keine CX Strategie, und ohne CX Strategie keine CX Kultur. Und genau deswegen haben wir das im CEX Trendmonitor auch in der Stufe der Akzeptanz eingestuft, gehen aber nicht davon aus, dass sich in den nächsten Jahren hier wesentlich etwas ändert. Wobei man manchmal auch positiv überrascht wird. Erst letzte Woche berichtete mir mein Co-Autor Harald Henn, er habe eine Ausschreibung gesehen, in der dezidiert Beratung bzgl. Automatisierung von Kundenkontakten nach der Value Irritant Matrix gefordert wurde. Die Zahl der Angebote auf diese Ausschreibung würde mich interessieren, hoch kann sie nicht gewesen sein.

Es fehlt also an strategischen Kompetenzen angefangen von purem Methodenwissen einerseits andererseits aber auch an operativen Mitarbeiterkompetenzen für eine echte Kulturveränderung. Und das ist der Hauptpunkt, warum wir im CEX Trendradar davon ausgehen, dass CX Kultur noch lange "akzeptiert" aber nur bei wenigen Unternehmen gut umgesetzt wird. Und das hier spezifisches Differenzierungspotential zwar brachliegt aber auch am komplexesten umzusetzen ist.

Nur: Was braucht man eigentlich alles für eine Kulturveränderung? Das habe ich schon mal vor vier Jahren in einem kleinen Stück über die Kulturveränderung bei der ZÜRICH Versicherung aufgezeigt. Dabei haben wir viele Konzepte und Instrumente konzipiert und angewendet, um die Organisation und viele mitarbeiter sukzessive in Richtung "Kunde" zu verändern. Doch generell fragt man sich, wo Anreiz für die Mitarbeiter eines Unternehmens liegt, noch empathischer und noch leidenschaftlicher für den Kunden zu agieren, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Wir sprechen da von Employee Experience. Doch das ist ein weiteres Thema unseres CEX Trendradars und wenn alles gut geht, kommt das anfangs nächster Woche.

Ach übrigens...

Und wer sich jetzt gefragt hat: podcastet Hafner jetzt auch? Ja, bisher als Gast, bspw. zum Kompetenzaufbau im Experience Management (im SAP Education Newscast) oder zum CEX Trendradar zusammen mit Harald im Gespräch mit Peter Pirner, zu Voice mit Alex Wunschel oder zu Chatbots mit Sophie Hundertmark, aber auch demnächst mit dem eigenen Podcast. Mehr dazu in der nächsten Woche....

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