Europcar - oder wie man Kundenerwartungen systematisch enttäuscht!

Launige Worte zum Einstieg: Ich bin von meiner Europatournee zurück und schreibe grad an einem Stück über das Management von Kundenerwartungen für das CMM360 von Meike Tarabori. Was beides miteinander zu tun hat? Viel. Denn es gibt immer noch Unternehmen, die es so gar nicht können und daher über die Massen viel Geld in Werbung stecken müssen, um überhaupt Kunden zu haben.

Customer Experience Management: Europcar kann es einfach nicht!
Die Europatournee: Mit dem Flieger nach Grossbritannien solange es noch gross ist. Es ist ja noch nicht Oktober. Mit dem Wohnmobil von Blackpool nach Wales, nach Stratford-upon-Avon (Ja: Shakespeare. Dieser Blog wendet sich auch an Bildungsbürger!), dann nach Woburn und über Harwich und Hoek van Holland nach Köln. Dort Umstieg auf einen Mietwagen.

Die Entscheidung für die Buchung eines solchen Gefährts wird einem ja von der Werbung sehr erleichtert. Es hat mich immer schon gewundert, wieviel Geld Europcar und vor allem Sixt in Werbung investieren. Die Werbung von Sixt ist ja grossartig. Beispiel gefällig?


Doch was passiert, wenn man tatsächlich mietet? Zwei konkrete Erfahrungen:
Bei Sixt hatte ich im Frühjahr eine Mercedes B Klasse gemietet. Dieses Fahrzeug war "leider" am Flughafen Hamburg am Abholungstag nicht verfügbar. Sixt teilte mir zudem mit, ich hätte den verfügbaren Mietwagen gänzlich ohne Versicherungsschutz gemietet und müsste nun die Versicherung extra zahlen. Ok, nach dieser Erfahrung war klar: Hübsche Werbung aber nie wieder Sixt!
Zweite Erfahrung Europcar: Ich hatte ja aus dem Sixt Desaster gelernt. Gebucht hatte ich zwei Monate im Voraus: eine Mercedes A-Klasse. Die Klasse ist mit "Compact Elite" beschrieben. Drei Klassen besser/teuerer als ein Golf wie man im Screenshot links sieht.. Also war ich mir schon mal sicher keinen Golf zu erhalten. Bleiben recht akzeptable Fahrzeuge in der Erwartung des Kunden: Audi, BMW oder eben Mercedes A-Klasse. Freitag abend, Europcar am Kölner Flughafen. Ich möchte mein Fahrzeug übernehmen. Erste Frage des Europcar Angestellten: "Brauchen Sie ein Navi?" Meine Antwort: "Nein, ich hab eine Mercedes A-Klasse gebucht, die hat ein Navi". "Nein, Sie bekommen einen Golf." Frech grinsend verweist der Mitarbeiter auf den Hinweis "oder ähnliches". Ich mache deutlich, dass das nicht "oder ähnliches" ist. "Tja, sie können eine Mercedes C-Klasse haben." Kosten nur 120€ extra. Vorgebucht hätte das übrigens 45€ extra gekostet. Ich mache meine Verärgerung deutlich. Dem Mitarbeiter ist das schnuppe. Das angebotene Extra-Navi nehme ich nicht.   Cleverer Schachzug wie sich herausstellt: Im trotz Protest übernommenen Golf ist eins eingebaut. Aber Cross-Selling sinnloser Features kann man ja mal versuchen. Der Mitarbeiter rät mir noch Kilometerstand und Schäden zu verifizieren und "wenn etwas auf dem Mietschein nicht der Realität entsprechen sollte, besprechen Sie das mit dem Mitarbeiter im Parkhaus". Kilometerstand stimmt natürlich nicht, dafür im ganzen Parkhaus kein Europcar-Mitarbeiter, dafür aber drei Mercedes A-Klasse und drei Mercedes B-Klassen.

Kundenerwartungen resultieren aus Versprechungen:
Wenn man also einen Kunden systematisch wütend machen will, sollte man genauso vorgehen. Woran liegt das? Naja, Kunden haben bei jeder Interaktion mit einem Unternehmen Erwartungen.
Diese speisen sich aus insgesamt vier Quellen: Erstens resultieren Erwartungen aus Bedürfnissen. Kunden möchten ihre Bedürfnisse erfüllen und suchen dafür Anbieter, beispielsweise Autovermietungen.  Die Kommunikation unseres Unternehmens ist ein zweiter (von insgesamt vier) Einflussfaktoren auf die Erwartungen von Kunden. Das, meine lieben Leser, ist aber dann auch schon die gute Nachricht dieses Blogartikels: Erwartungen kann man mit gezielter Kommunikation beeinflussen. Wenn man denn irgendwann loyale Kunden will.

Und genau das passiert in meiner Europcar-Episode: Ich als Kunde erwarte aufgrund des Buchungsprozesses eine Mercedes A-Klasse und gerade keinen Golf. Ich erwarte aufgrund der Kommunikation mit dem Schaltermitarbeiter, einen weiteren Europcar-Ansprechpartner im Parkhaus. Ich erwarte (aufgrund meiner Bedürfnisse) einen korrekten Kilometerstand auf dem Mietschein, freundliche Mitarbeiter sowie eine Erstattung der Differenz zwischen dem Preis für die gemietete A-Klasse und dem für den erhaltenen Golf und mit Sicherheit kein unnötiges Cross-Selling.

Nun, Europcar betrachtet sich ja als Profi-Unternehmen und schickt mir dann am nächsten Tag eine Mail, meine Erfahrung zu bewerten und aufgrund des NPS-Modells anzugeben, ob ich Europcar nun weiterempfehlen würde. Der Link in der Mail führt leider ins Leere. Einen Tag später probiere ich es noch einmal Europcar zu bewerten, vergebe in allen drei Kategorien (Übernahmeprozess, Fahrzeug und Abgabeprozess, bei dem es dann Ärger aufgrund des Kilometerstands gab.) null von zehn Punkten. Und bitte auf Nachfrage um Kontaktaufnahme eines Europcar-Managers. Dafür hinterlasse ich meine Telefonnummer und meine email. Das war vor einer Woche. Und nun weiss ich auch, warum Sixt und Europcar so immens viel Geld in die Werbung stecken. Weil niemand dort ein zweites Mal bucht und sie immer neue Kunden brauchen, die auf dieses komplett unseriöse und ärgerliche Geschäftsgebaren reinfallen. Habt Ihr ähnliche Erfahrungen mit einem Fahrzeugvermieter gemacht? Und wo würdet Ihr buchen, liebe Leser?

Und damit wir auch über sehr gute Beispiel reden: Der CRM Excellence Day 2019 in Berlin!
Natürlich gibt es auch richtig gute Kundenerfahrungen. Und die darf ich am 19. November wieder anmoderieren. Management Forum veranstaltet im Vorfeld des Deutschen Handelskongresses wieder den CRM Excellence Day. Diesmal speziell abgestellt auf Handel und Konsumgüterindustrie. Wie in den drei Jahren zuvor, haben wir wieder tolle Beispiele für eine gelungenen Gestaltung der Kundenbeziehung gefunden. Jan Benjamin Eger von Tchibo beispielsweise redet über die Transformation hin zum lösungsorientierten Dialog mit dem Kunden. Und Stefan Schulte, der schon beim Digital Marketing Congress von MTP überzeugte, zeigt auf, wie PlanetHome Fehler im CRM vermeidet. Jenni Juvonen spricht über Chatbots bei Zalando. Wahrscheinlich schreien die nun ganz automatisch vor Glück. Wer weiss...

Dazu gibt es die neuesten Erkenntnisse zum Thema Kundenverhalten von der Gesellschaft für innovative Marktforschung und Eva Stüber vom Institut für Handelsforschung IFH Köln spricht über die Amazonisierte Welt und wie man Kunden zuhört. Das ganze wie immer bei Microsoft in Berlin. Und von mir gibts einen ersten Einblick in die CRM Trends 2020.      


Kommentare

Unknown hat gesagt…
Tja, liegt es am kritischen Kunden oder an die Ohnmacht des Anbieters? Bei Europcar miten wir Geschäftlich und da bekomme ich meistens was ich will oder etwas besserem. Gestern zB eine Octavia VRS bekommen statt der verhasste GOLF (Wieso will den eigentlich niemand als Mietauto)

Privat miete ich oft bei SIXT, freundliche Mitarbeiter, gute Fahrzeuge und fast immer tolle Upgrades (ich buche die oft über das Wochenende wenn die gesamte Flotte "eingemottet" am Flughafen steht. Buchungsprozess ist eigentlich klar bez. dem Versicherungsprozess also ich weiß nicht was Du übersehen hast Nils.

Würde dir sicher nochmal einen SIXT Anlauf empfehlen. Bei den anderen Anbieter ist es erheblich schlechter. HERTZ hat mich mal ziemlich motiviert nie mehr was zu mieten, dies sehr Erfolgreich und bei BUCHBINDER hättest Du in Köln wohl ein Auto mit einer utopischen Zulassung bekommen....(und 2 Sitze sogar noch) Viel Spass bei deiner Experience, auf jedem Fall ein tolles Gebiet um Endlos Erwartungen zu enttäuschen , die AUTOVERMIETUNG

Gruss, Rene
Philipp hat gesagt…
Ich miete über Vermittler wie Check24/CarDelMar, da ist es einfach günstiger.
Wenn man ein paar Mal gemietet hat, ist einem auch klar, dass man eigentlich nie das Fahrzeug bekommt, das man laut Website mietet, sondern schon froh sei kann, wenn es die gleiche Klasse ist (bei Dir ja definitiv auch nicht der Fall). Was momentan in den Klassen ist, findet man z.B bei Mietwagentalk.
Aber das ist meiner Erfahrung nach bei allen Autovermietung so.
Enterprise hat die Fahrzeuge, die einem online angezeigt werden, oft überhaupt nicht einmal im Bestand. Da bekommt man rigoros Asiaten.

Aber wie Rene kann ich auch ein Gegenbeispiel nennen: Berater von uns bucht alle 2 Wochen bei Sixt am Hamburger Flughafen einen Polo (mit voller Versicherung - das macht auch einen großen Unterschied und zahlt bei ihm der Kunde) und er bekommt immer etwas besseres: Golf GTI, C-Klasse Cabrio, T-Roc etc. Ivh staune immer.
Aber wie gesagt, immer Sixt, immer volle Versicherung.
Philipp hat gesagt…
Sehe gerade dass Du Compact Elite bei EC haben wolltest. Habe ich auch schon versucht und bekam einen Opel Mokka. Super laut auf der Autobahn. Da hätte ich lieber einen Golf gehabt.
Beschwerde aber schwierig weil Richtung SUV und damit leicht als Upgrade darstellbar
Franz hat gesagt…
Grundsätzlich ist das Mietwagen Geschäft der grossen Anbieter sehr kapitalintensiv, saisonale Sommerspitze im Extremis und im Kundenwunsch nur eines, nichts bezahlen. Das verlangt eine absolute Kostenreduzierung und –kontrolle des ganzen Business Prozesses.
Aus diesem Grunde sind alle RAC auf dem gleichen Niveau im Bereich CRM. Einzig ich sage dem die VIP im RAC Business haben andere Prozesse, die haben aber auch andere Preise.



Torben B. hat gesagt…
Privat miete ich bei Hertz (via ADAC, dann sind die Versicherungsbedingungen auch transparent). Ist zwar sehr FORD-lastig, aber ich habe immer bekommen, was ich bestellt habe. Oft wird mir als "Upgrade" ein SUV angeboten, was ich aber immer ablehne - beim letzten Mal gab es einen Ford Mondeo mit allem statt eines Focus.

Navi buche ich nie mit - ist zu 90 Prozent verbaut (oder via Apple-Carplay vefügbar).

Was für Dich interessant ist: die Hertz-Mitarbeiter wünschen ausdrücklich die Bewertung der Anmietung, da sie offenbar darüber incentiviert werden. Probiere es mal aus!

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