CRM Trends 2019: Vermeiden Sie Fallen!

Launige Worte zum Einstieg: Seit mehreren Jahren reden wir nun über die zunehmende Digitalisierung. In manchen Branchen wird so getan, als sei Digitalisierung um der Digitalisierung wegen wichtig. Dabei hat man auch 2018 gerade im Marketing wieder die eine oder andere Überraschung erlebt, wie meine Kollegin Sabine Haidan in unserem HSLU IKM Blog zusammenfasst. Auch geht meines Erachtens nach häufig die Kundenperspektive verloren. Ich habe mir – zusammen mit Claudio Felten von MUUUH! Consulting da mal ein paar Gedanken zu gemacht.

Im Grunde genommen geht es darum bei der Digitalisierung drei Fallen zu vermeiden. 

Die erste ist die Fokusfalle. Nur weil etwas digital ist, heisst es nicht, dass es besser ist. Das bedeutet bei Digitalisierungsprojekte immer zu fragen, wo eigentlich der Kundennutzen ist. Wird etwas schneller für den Kunden und damit meistens billiger für das Unternehmen? Oder eröffnet die neue digitale Lösung neue Möglichkeiten mit den bestehenden Kunden mehr Geld zu verdienen? Sei es über ein verbessertes Cross- und UpSelling, sei es über neue digitale Geschäftsmodelle.

Die zweite Falle ist die Perfektionsfalle. Gerade Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind sehr darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Es dominiert weiterhin der Spezialistengedanke. An jedes Kundenproblem wird ein Spezialist für genau dieses Teilproblem delegiert. Die Lösungen, die daraus resultieren sind häufig technisch und funktional gut, treffen aber nicht wirklich zu 100% das Kundenbedürfnis, da sie Inside-Out entwickelt wurden. Darüber hinaus dauert die Entwicklung häufig zu lange. Hier geht es durch die Anwendung agiler Methoden wie beispielsweise dem Design Thinking,  im gesamten Unternehmen Geschwindigkeitsvorteile und Kundennähe zu realisieren. Idee dabei ist, dass Prototypen immer wieder aufs neue an und mit dem Kunden getestet werden. Je weiter entwickelt das Produkt oder der Service ist, desto mehr Personen testen. Amerikanische Unternehmen haben diesen Ansatz stark verinnerlich. So werden halbfertige Produkte häufig am zahlenden Kunden getestet und weiterentwickelt. Hier gilt es abzuschätzen, in welchem Verhältnis Geschwindigkeit und Ärger über zu schnell realisierte nicht funktionale Produkteigenschaften zueinander stehen. Fakt ist, dass Unternehmen in der DACH Region deutlich schneller werden müssen.

Die dritte Falle erschliesst sich nur, wenn man genau analysiert, was Unternehmen im Kontext der Digitalisierung tun. Oft sind Fokusfalle und Perfektionsfalle bereits erkannt. Beides bedeutet, dass sich im Unternehmen etwas verändern muss. Und zwar an allererster Stelle die Kultur, wie Kundenprobleme anzugehen sind. Denn – wie oben ausgeführt – sind gerade Grossunternehmen auch von grosser Schwerfälligkeit. Und da hat jemand Kluges gemeint, aus solchen Supertankern müssten Schnellboote werden. Prima. Das ist, um im Bild zu bleiben, ziemlich schwierig. Denn erstmal muss der Supertanker dafür komplett zerlegt werden. Das ist mühsam und hört sich also nach Arbeit an. Ist aber unvermeidbar. Aber natürlich dauert es zu lange, um bis dahin nix zu tun. Und hier kommt die dritte Falle ins Spiel. Die Hipsterfalle.

Was - zum Geier - ist die Hipsterfalle?

Nun fragen Sie vielleicht zu recht, was ein Hipster eigentlich ist. Wikipedia definiert den Hipster so: Hipster ist ein im frühen 21. Jahrhundert in den Medien verbreiteter, zumeist etwas spöttisch gebrauchter Name für ein Milieu, dessen Angehörige ihrem Szenebewusstsein – in Abgrenzung zum Mainstream   –   extravagant Ausdruck verleihen. Meist sind es Jugendliche bis junge Erwachsene der städtischen  Mittelschicht. Die Bezeichnung ist der gleichnamigen avantgardistischen Subkultur des mittleren 20. Jahrhunderts entlehnt. Man versteht sich zwar als Subkultur, ist aber inzwischen eher dem Mainstream zuzuordnen. Also jemand, der optisch etwas anderes als andere machen möchte. Da das aber alle machen, wird es plötzlich beliebig.

Was bedeutet das in Übertragung zum Unternehmenskontext? Nun Unternehmen meinen den «Schnellbootstatus» dadurch generieren zu können, dass sie ihre Innovationsabteilung in ein schönes neues Lab setzt. Am besten nach Berlin (oder ins Valley). Weil das ja so schön authentisch ist. Die Mitarbeiter in diesem Lab arbeiten dann alle ganz agil und finden wunderbare neue relevante digitale Kundenlösungen. Jetzt kommen diese MItarbeiter mit coolen neuen Sachen. Es ist aber schwer diese Ideen zu beurteilen, denn der durchschnittliche CEO versteht nicht, wovon die Mitarbeiter reden. Lässt sie aber gewähren. Er delegiert dann meistens die aktuelle Aufgabe an einen Chief Digital Officer, damit der sich in und an der Matrix abarbeitet und aufreibt.

Nur a) machen das inzwischen alle. Ist also nix besonderes mehr. Und b) ist es immer noch langsam. Ist ja auch logisch, denn jetzt haben wir ja ein Schnellboot (die in dem Lab) und der Rest des Unternehmens – ist immer noch ein Supertanker. Wissen Sie, wie schwer es ist, mit einem Schnellboot an einem Supertanker anzudocken? Und was meinen Sie, welche Geschwindigkeit wird dabei gefahren. Die maximale Geschwindigkeit des Schnellboots? Die des Supertankers? Naja, ehrlich gesagt, hält man für diesen Vorgang meistens beide Schiffe an. Ausserdem bekommt der Kunde davon (c) nix mit. Denn wie häufig hatten Sie als Kunde eines grossen Unternehmens schon mal den Kontakt zu den hippen Leuten im Lab in Berlin (oder im Valley)? Richtig. Nie.

Ich habe ja mehrfach darauf hingewiesen,  dass den Mitarbeitern eine Schlüsselrolle im Customer Experience Management zukommt: Sowohl bei der Begeisterung als auch der Frustration. Sogar bei der Bahn. In mehr als 6 von 10 Fällen sind Mitarbeiter bei begeisternden Erlebnissen involviert. Sie können durch Freundlichkeit und Kompetenz im direkten Kundenkontakt überzeugen. Fragt man nach frustrierenden Erlebnissen, wird in 7 von 10 Fällen der Mitarbeiter als Grund genannt. Unfreundliche oder wenig kompetente Mitarbeiter im Service oder der Filiale führen zu Frustmomenten. Und was meinen Sie, wie sich Mitarbeiter in Verkauf und Service fühlen, wenn in sie wenig investiert wird, weil sie von der Chefetage als «Supertanker der Vergangenheit» wahrgenommen werden. Während für die Kollegen im Lab in Berlin (oder im Valley) Mittel bereit stehen. Ausserdem ist man selbst ja in den allermeisten Fällen nicht in Berlin (oder im Valley). Sondern in Stans, Bottrop, Gütersloh, Biel oder Sindelfingen.

Und nun? Was lernen wir?

Es geht bei der Digitalisierung also darum, die Fokusfalle, die Perfektionsfalle und die Hipsterfalle zu vermeiden. Nur Produkte und Services die sich auf Lösung von Kundenproblemen fokussieren, haben eine Möglichkeit durch Geschwindigkeit oder Mehrwert auch Geld für das Unternehmen zu verdienen. Dabei kommt es vor allem auf die «Time to Market» und die Relevanz der Lösung an. Wichtig ist zu verstehen, dass die alltäglichen Kundenkontakte über Weiterempfehlung  entscheiden. Dafür bedarf es eines systematischen Change Managements, welches alle Mitarbeiter und vor allem die mit Kundenkontakt in die digitale Welt mitnimmt. Mit einem Lab in Berlin (oder im Valley) ist es einfach nicht getan.

Werbehinweis!

Mehr dazu erfahren Sie in meinem Buch "Die Kunst der Kundenbeziehung", das ab nächsten Donnerstag, 24. Januar 2019, in der zweiten Auflage erhältlich ist. Mit Augmented Reality. Und vielen Whitepapers. Und Übersichtsgrafiken. Und Links zu nützlichen Hilfsmitteln.  Und bunt!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Swiss Contact Day mit golden Headset und EVA

CRM Trends 2012: Ein Geben und Nehmen – Wie kommen Unternehmen an Kundendaten und was geben sie dafür?

CEX Trendradar 2023: Die grosse Chance in Krisenzeiten