#beyondCXM - eine Zukunftsphilippika in sieben Thesen

Launige Worte zum Einstieg: Nun machen die Kollegen von nextact auf Linkedin eine blogparade zum Thema #beyondcxm. Bisher hat da keiner geliefert. Ausser einem Interview mit einem Vertreter eines Softwarehauses. Softwarelieferanten erkennt man im Regelfall daran, dass sie etwas anfragen, dann von mir eine Antwort bekommen, sie sagen sie melden sich wieder und man dann nie wieder etwas hört. Auch ein Erlebnis. Können aber die Kollegen von nextact nichts für. Daher mal meine Überlegungen, wie sich das Thema Kundenmanagement, ganz unabhängig von irgendwelchen Plattformen entwickelt. Und das ganze in sieben Thesen.

1. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird methodischer

Das ganze Thema „Kunde“ wird zwingend noch methodischer. Und das ist gut so. Denn: Wie lange haben wir uns alle mit irgendwelchen Vertriebsbüffeln auseinandergesetzt, die in der Vorstands- oder Geschäftsleitung zu einem ihnen missliebigen Projekt rotzfrech behauptet  haben: „unsere Kunden wollen das nicht!“ „Show me the data“ kann man denen nun ebenso eiskalt an den Kopf werfen. Der zweite positive Aspekt: Man muss richtig was können, um Kundenmanagement zu betreiben. Vorbei sind die Zeiten, in denen Finanzmanagement, Controlling, Change Management, Projektmanagement und viele andere Bereiche im Unternehmen ihren Methodenhandwerkskasten gelernt haben und man aus irgendwelchen Gründen das Thema Kunden den „Flitzpiepen“ aus Marketing und Vertreib überlassen hat, die zwar gut quatschen konnten aber sonst auch wenig. Nein: Kundenmanagement ist absolut nicht „rocket science“ aber auch kein „fühlst mich, spürst mich“ Hokuspokus. Es geht nicht nur um gute Laune. Es geht darum, dass man für quasi jedes Problem im Kundenmanagement an den Hochschulen oder in der Praxis eine tragfähige Methode entwickelt hat, die man verhältnismässig leicht erlernen und anwenden kann. Die Summe der Methoden macht den Methodenhandwerkskasten aus. Und das den erfahrenen „Kundenmanager.“ Und davon gibt es immer noch zu wenige!

2. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird eindeutiger

Nun gibt es aber immer noch diejenigen „Thought Leader“, die behaupten: Die ständigen Methodendiskussionen nerven aber. Wir müssen einfach mal machen.“ Das ist gut nachvollziehbar liegt jedoch weniger an den Methoden, sondern an der Babylonischen Sprachverwirrung im Kundenmanagement. Denn: jeder Berater versucht seine präferierte Methode ein wenig anders zu benennen und zu schützen. Gerade bekomme ich ein Buch auf den Tisch, in dem nicht weniger als 17 verschiedene Modelle von 17 verschiedenen Autoren (90% Berater) dargestellt werden, die das Thema erklären sollen. Quelle jeweils entweder „eigene Darstellung“ oder „[Name der Beratung] Copyright 2019.“ Yeah! 

Bullshit!!!

„Wir geben den Dingen Namen, um sie zu unterscheiden.“ sagte mein Grossvater. „Ich beispielsweise mache immer zwei Salate. Den einen nenne ich Kartoffelsalat, den anderen Nudelsalat.“ Diese kleine Episode illustriert ganz gut, woran es uns mangelt. Allgemein verbindliche Namen und denjenigen zu nennen, der was Relevantes dazu erforscht hat. Und es ist so gut wie alles erforscht. Siehe oben bei „Methodischer“. Warum wird das nicht gemacht. Naja, es scheint in der Praxis brutal uncool zu sein, Forscher zu zitieren, das gilt als theoretisch und die meisten Kollegen sind leider auch publikationsgetrieben also wenig daran interessiert, praxisorientiert zu vermitteln. Ein Versuch, Klarheit zu bringen stellt, der CX Trendradar dar. Hier haben wir unsere Interviewpartner nämlich erst einmal immer gefragt: „Verstehst Du, was wir wollen?“


3. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird Intent-getriebener 

Dieser Punkt ist erklärungsbedürftig. Bislang haben wir ja immer von Kundenbedürfnissen geredet. Intent ist Bedürfnis im Kontext. Der indische Entwickler PV Kannan hat zusammen mit seinem Co-Autor, dem Amerikaner Josh Bernoff (ja, das ist der von Groundswell), im letzten Jahr das sehr praktische Buch „The Age of Intent“ veröffentlicht. Dort machen die Autoren deutlich, dass es für die (notwendige) Automatisierung von Dinestleistungen (bspw. über Bots oder digitale Assistenten notwendig ist, genau zu wissen, was ein Kunde in welchem Kontext will. Mein Kollege Alexander Wunschel hat sich vor einigen Wochen mit dem Voice Experten Robert C. Mendez über Beispiele unterhalten. So hat ein Kunde, der in seiner Wohnung, bspw. seine Frau bittet, ihm ein Bier mitzubringen einfach nur Durst, während ein Kunde, der in einer Kneipe ein Bier bestellt, ggf. Geselligkeit im Kreise von anderen Kneipenbesucher sucht. Für den Intent spielen also das was, das wo, das wie eben der Kontext eine grosse Rolle, um genau zu verstehen, was der Kunde gerade will und wie man diese Situation in diesem Moment nutzen kann, um dem Kunden zusätzliche Probleme zu lösen, Erlebnisse zu bieten, Produkte zu verkaufen etc. oder – wenn es keine Gelegenheit dazu gibt – einfach nur in Ruhe zu lassen. Nun stellt sich aber die Frage, wie können wir den Intent nicht nur erheben sondern auch nutzen. 

4. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird automatisierter

Und – Zack! – sind wir bei der Automatisierung. Operationalisierter Intent ist nämlich die Grundlage von Automatisierung. Wichtig hier ist dabei nicht nur zu wissen was ich automatisieren kann, sondern auch, was nicht. Dazu habe ich ja neulich die Value Irritant Matrix beschrieben. Fakt ist, dass Automatisierung der einzige Weg sein kann, im Wettbewerb zu bestehen, ansonsten werden auch vergleichsweise einfache Geschäftsmodelle wie Internethandel oder Retail Banking schnell zu personenintensiv und damit vor allem in der DACH Region zu teuer. Bei der Automatisierung ist aber wiederum der Intent matchentscheidend bspw. für die „Erlebnisdichte“ meines Kundenmanagements. Denn, dass wir uns auf dem Weg in die „Erlebnisökonomie“ bewegen, halte ich für absoluten Bullshit!! In meisten Branchen wacht der Kunde eben nicht morgens auf und denkt an die tollen Erlebnisse mit seiner Bank, seiner Versicherung oder seinem Telekommunikationsprovider. Und wenn er an diese Unternehmen denkt, dann meistens an die Probleme, die mit diesen Dienstleistern verbunden sind. Hier geht es bei 90% der Interaktionen um reine Problemlösung. Und das eignet sich doch in der Regel toll für eine Automatisierung. Grundlage dieses Missverständnis ist die Übersetzung von „Customer Experience“ ins Deutsche. Dass eine Kundenerfahrung nicht immer ein Kundenerlebnis ist, müssen auch die wildestens Marketer noch lernen. 

5. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird wertgetriebener

Durch die Anwendung des Methodenbaukastens wird das Thema „Kunde“ wertgetriebener. Seit zwanzig Jahren führe ich mit Praktikern diesen Dialog, wie aus einer französischen Komödie: 

„Das Thema CX bringt Ihnen bei richtiger Anwendung mehr Geld.“ 

„Nein“ 

„Doch“ 

„Ooooooh!“


Wichtig ist in diesem Zusammenhang erstens zu erheben, was der Kunde im Kontext wirklich will, also seinen Intent zu verstehen. Zweitens kommt es jedoch darauf an, den Wert des Kunden abschätzen zu können, also zu verstehen, ob sich eine Beziehung zum Kunden langfristig lohnt. Und wenn ich das Potential des Kunden kenne, kann ich klare Business Cases rechnen, welches Erlebnis mit welchem Aufwand sich zu welchem Zeitpunkt beim Kunden rechnet. Das bedeutet aber auch, dass es matchentscheidend für Unternehmen wird, die Wertinformation in Erlebnis- und damit auch Automationsentscheidungen einfliessen zu lassen. Ohne Kundenwert keine Beziehung ohne Kundenwert keine Automation ohne Kundenwert wird das Thema CXM auch nie Geld verdienen. Oooooh!

6. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird beziehungsgetriebener

Ohne Kundenwert keine Beziehung. Customer Experience Management bedeutet ja in der Makrodefinition das Management der ganzheitlichen Kundenerfahrung. Und somit wird die Beziehungsperspektive gerade in Branchen, in denen viele Möglichkeiten zum Up- oder Cross-Selling bestehen wieder wichtiger als der „Gig“ des einzelnen Erlebnisses. Also wachsen CRM und CXM zusammen. Gerade wenn wir zur Zeit einen Nachhaltigkeitsboom erleben, muss klar sein, dass CRM eigentlich das nachhaltigste Managementkonzept ever ist. Immerhin gibt seit knapp zehn Jahren fast jeder zweite Top Manager an, dass Customer Relationship Management das wichtigste Management-Tool überhaupt ist, wenn man den Kollegen von Bain folgt. 

7. Das Kundenmanagement #beyondcxm wird auf jeden Fall einen neuen Namen bekommen

Auf jeden Fall bekommt Kundenmanagement wieder einen neuen Namen. Die Beratungsindustrie will ja wieder gut verdienen und mit Anlauf die nächste Sau durchs Dorf treiben. Nach Kundenbindungs-Management, Customer Relationship Management, Customer Managed Relations, Experience Marketing, Customer Success Management und nun Customer Experience Management. Macht Euch das auch so müde? Oder ist es das Alter, Corona, der ausklingende Sommer, viel Arbeit oder die Zeit, die man benötigt sich immer wieder auf neues Bullshit-Bingo einzulassen?


 

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